Spätestens seit der griechischen Parlamentswahl im Januar 2015 ist klar, dass es für die bisherige europäische Krisenpolitik in Griechenland keine Mehrheit gibt. Die Verhandlungen der griechischen Regierung mit den Verhandlungspartner*innen aus EU, EZB und IWF machen zusätzlich deutlich, dass die europäische Austeritätspolitik nicht nur ökonomisch und sozial gescheitert ist, sondern auch demokratische und institutionelle Defizite innerhalb der Europäischen Union offenbart. In den langen Verhandlungsnächten im Juli konnte die Zusammenarbeit der sozialdemokratischen Parteien Europas zwar das Auseinanderbrechen der Eurozone verhindern, die Beharrlichkeit der Konservativen – vor allem des deutschen Finanzministers – aber hat die falsche Politik manifestiert.
Wir stehen für ein demokratisches, soziales und wirtschaftlich starkes Europa und sehen in der Gemeinschaftswährung weiterhin einen wichtigen Schritt der Europäischen Integration. Deshalb müssen wir uns mit der Frage beschäftigen, welche Instrumente notwendig sind, damit die Menschen in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union demokratisch über politische Entscheidungen abstimmen können, ohne dass sich der Eindruck verfestigt, die Entscheidungsgewalt läge nicht in der Hand der Bürger*innen, sondern allein bei den wirtschaftlich und politisch starken Ländern oder den globalen Finanzmärkten.
Zweitens müssen wir die zunehmend einseitige Konzentration wirtschaftlicher Kraft auf wenige Wirtschaftszentren (vornehmlich im Korridor zwischen London, Paris, West- und Süddeutschland und Norditalien) überwinden und eine polyzentrische Struktur in der EU schaffen. Die Überwindung der aktuellen Krise in Griechenland ist deshalb weit mehr, als das Lösen einer lokal begrenzte „Staatsschuldenkrise“. Sie steht im Zentrum der Frage, ob wir es zulassen, dass die EU an ihren Rändern zusehends erodiert und die Vorstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in den 28 Mitgliedsstaatenentgegen jeglichen progressiven Zielvorstellungen nicht auf einem höheren, sondern auf einem niedrigeren Lebensstandard herbeigeführt werden wird. Deshalb müssen unsere Forderungen nach einem Ende der Austeritätspolitik in Griechenland zugleich in einen Maßnahmenkatalog mit europapolitischem Anspruch eingebettet sein.
Darum fordern wir:
Ein begrenztes Umschuldungsprogramm, in dem die „Maastricht-konformen Schulden“ innerhalb der Eurozone aus gemeinsamen Anleihen der EZB zu einem einheitlichen Zinssatz aufgenommen werden. Die darüber hinausgehende Neuverschuldung ist von den betreffenden Mitgliedsstaaten zum marktüblichen Zinssatz zu begleichen. Zusätzlich sollten die EZB- Anleihen durch den ESM besichert sein. Die EZB fungiert als Vermittlungsinstanz am Finanzmarkt. Für bisherige Anleihen, die sich in öffentlichem Besitz von EU-Mitgliedsstaaten befinden, könnte die Verlängerung der Laufzeiten eine Maßnahme sein. Langfristig sind wir von der Einführung von Euro-Bonds überzeugt.
Ein gesamteuropäisches Investitionsprogramm unter Beteiligung der EIB (Europäische Investitionsbank), des EIF (Europäischer Investitionsfonds) sowie der Kohäsionsfonds EFRE (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung) bzw. des ESF (Europäischer Sozialfonds). Im Bezug auf Griechenland unterstützen die Mittel aus dem gesamteuropäischen Investitionsprogramm die Strukturpolitik vor Ort und schaffen aufgrund der zusätzlich generierten Nachfrage im europäischen Binnenmarkt die Voraussetzungen für den langfristigen öffentlichen Schuldenabbau in Griechenland. Ohne gute Konjunkturentwicklungen in Europa werden Sparmaßnahmen zur Haushaltskonsolidierung und bereits angestoßene Strukturreformen, wie etwa die Verbesserung der Einnahmeseite durch steuerpolitische Transparenz und Steuererhöhungen bei Besserverdienenden, in Griechenland keine Aussicht auf Erfolg haben. Die Strukturpolitik in Griechenland ist durch ein größeres Regionalentwicklungsprogramm für Südosteuropa zu flankieren. Die Investitionsprogramme werden teils aus Haushaltsmitteln der EU und der Nationalstaaten und teils aus Anleihen finanziert und lösen einen Multiplikatoreffekt aus. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der FuE-Förderung in Staaten, in denen die bisherigen FuE-Ausgaben im Verhältnis zum BIP unterdurchschnittlich sind.
Die Verbesserung der steuerpolitischen Koordinierung in Europa durch die Umsetzung einer europäischen Finanztransaktionssteuer und die Schaffung gemeinsamer Untergrenzen für Unternehmenssteuern in der EU sowie die Binnennachfrage stimulierende Maßnahmen in Ländern mit exzessiven Leistungsbilanzüberschüssen. Die Anpassung der Lohnentwicklung in Europa an die Produktivitätsentwicklung – insbesondere in den Überschussländern – schützt Europa vor einem beständigen Lohndruck nach unten bzw. einem weiteren Auseinanderfallen der Wettbewerbsfähigkeit in der EU, verstärkt durch steuerpolitische Entscheidungen.
Die Durchsetzung einer einheitlichen europäischen Bankenunion.
Beschluss: Überweisung an den Kreisvorstand
Beschlossen am: 23.10.2015