Verschickungskinder leiden bis heute – es ist Zeit für Aufklärung

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Die SPD-Fraktion im Landtag NRW hat heute (07.10.2020) den Antrag „Trauma ‚Verschickungskind‘. Verschickt um gesund zu werden – Demütigung und Gewalt gegen Kinder in Kinderheilanstalten“ in das Plenum eingebracht.

Dr. Dennis Maelzer, Sprecher für Familie, Kinder und Jugend der SPD-Fraktion, erklärt dazu:

„Verschickungskinder sind längst erwachsen, doch unter den Erfahrungen ihrer Kindheit leiden sie bis heute. Deshalb wird es Zeit, dass wir uns unserer staatlichen Verantwortung stellen und die Untaten aufarbeiten, die bis in die 1990er Jahre hinein an Kindern verübt wurden. Redeverbote, Essenszwang, körperliche Misshandlungen und Demütigungen, die ‚schwarze Pädagogik‘ in den oft staatlichen Fürsorge-Anstalten traumatisierte die heute erwachsenen Frauen und Männer für ihr ganzes Leben.

Wir wissen heute, dass jegliche staatliche Kontrolle damals versagt hat. Unter dem Deckmantel des Staates wurde das Leiden der Kinder so erst möglich. Die Verschickten von damals sind heute teilweise schon im Rentenalter, doch die Erlebnisse ihrer Kindheit sind oftmals noch sehr präsent. Wir dürfen nicht den Fehler machen, ihre Schicksale unter den Teppich zu kehren.

Neben therapeutischen Angeboten für die Betroffenen fordern wir deshalb auch den Aufbau einer Geschäftsstelle. Wir wollen den Verschickungskindern dabei helfen, Zugang zu Archiven zu bekommen und eine eigene Organisationsstruktur aufzubauen. Als Parlament sind wir ihnen Aufklärung schuldig.“

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Hintergrund:

Von den 1950er Jahren bis in die 1990er Jahre wurden Millionen Kinder aus NRW wegen gesundheitlicher Probleme alleine, ohne Begleitung ihrer Eltern oder Erziehungsberechtigten, in Kinderkuren und Kinderheilanstalten verschickt. Bundesweit waren es mindestens 10 Millionen Kinder. Viele von ihnen erlebten in diesen Heimen Demütigung und Gewalt, darunter Prügel, Essenszwang, Redeverbote, Misshandlungen und Medikamentenversuche.