Aktionsplan: Entschlossen gegen Bilanzmanipulation
Finanzminister Olaf Scholz und Justizministerin Christine Lambrecht haben im Kabinett einen Aktionsplan zur Stärkung der Bilanzkontrolle und der Finanzmarktaufsicht vorgestellt. Schwachstellen bei der Bilanzkontrolle sollen beseitigt, Schlupflöcher geschlossen und komplexe internationale Firmen-Konstrukte wirksamer kontrolliert werden. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) soll mehr Befugnisse bekommen. „Wir wollen mehr Biss für die Bafin“, sagte Scholz.
Justizministerin Christine Lambrecht betonte, der Fall Wirecard habe deutlich gezeigt, „dass unser System der Finanzkontrolle bei hoher krimineller Energie an seine Grenzen stößt“. Es gehe darum, mit mutigen Reformen verloren gegangenes Vertrauen in den Finanzstandort Deutschland zurückzugewinnen. „Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass Anlegerinnen und Anleger sich auf öffentliche Jahresabschlüsse verlassen können“, sagte die Ministerin.
„Wirecard ist das Ergebnis kriminellen Handelns“, bekräftigte Vizekanzler Scholz. Das dürfe aber nicht davon abhalten, Vorkehrungen zu schaffen, damit so ein Fall nicht erneut geschehen könne. Bereits im Juli hatte der Finanzminister die Skizze eines umfangreichen Aktionsplans vorgelegt, um die Schwachstellen des bisherigen Systems der Bilanzkontrolle und der Finanzmarktaufsicht zu beseitigen. Nach intensiven Verhandlungen mit dem Wirtschaftsministerium sowie dem Kanzleramt wurde der vom Finanz- und Justizministerium erarbeitete Aktionsplan nun am Mittwoch im Kabinett diskutiert. Mehrere Maßnahmen sollen in den kommenden Wochen als Gesetze dem Kabinett und dem Bundestag vorgelegt werden.
Und darum geht’s:
Effektivere Bilanzkontrollen
Die Finanzaufsicht (Bafin) kommt bei der Überprüfung von börsennotierten Unternehmen bisher erst spät ins Spiel. Zunächst sind private Wirtschaftsprüferinnen und -prüfer für die Buchprüfung zuständig, dann die privatrechtliche Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR). Das soll sich nun ändern. Bei Verdachtsfällen soll die Bafin künftig allein für Prüfungen zuständig sein. Mit mehr Kompetenzen und mehr Durchgriffsrechten.
Unabhängige Prüfungen
Der Aktionsplan sieht vor, die Unabhängigkeit der Abschlussprüferinnen und -prüfer von den geprüften unternehmen zu stärken und die Qualität der Prüfung zu verbessern. Dazu sollen Abschlussprüferinnen und -prüfer künftig auch bei Kapitalmarktunternehmen spätestens alle zehn Jahre wechseln. Dies gilt bereits heute für Banken und Versicherungen. „Das soll verhindern, dass Abschlussprüfer betriebsblind werden, weil sie sich zu lange mit demselben Unternehmen beschäftigt haben“, sagte Lambrecht. Prüferinnen und Prüfer sollen zudem stärker in Haftung genommen werden. Außerdem sollen Wirtschaftsprüferinnen und -prüfer ein Unternehmen nicht mehr zugleich prüfen und beraten dürfen.
Härtere Strafen
Der „falsche Bilanzeid“, also wenn fälschlicherweise behauptet wird, ein Abschluss vermittele ein zutreffendes Bild der Lage eines Unternehmens, soll zu einem eigenen Straftatbestand werden – mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe.
Weitgehendes Verbot von Finanzgeschäften von Bafin-Beschäftigten
Private Finanzgeschäfte der Bafin-Beschäftigten sollen stark eingeschränkt werden, um jeden Anschein eines Interessenkonflikts zu vermeiden.
SPD-Chef begrüßt schnelles und konsequentes Handeln
SPD-Chef Norbert Walter-Borjans begrüßte den von Finanzminister Scholz ins Kabinett eingebrachten Aktionsplan als „wichtigen Schritt zur Vermeidung und frühzeitigen Erkennung krimineller Bilanzmanipulationen, wie sie offensichtlich beim bayerischen Unternehmen Wirecard AG der Fall waren“. Wirecard sei ein „schwerer Kriminalfall“, der sich nicht wiederholen dürfe.
Mit der in Scholz‘ Aktionsplan vorgesehenen Stärkung der Finanzaufsicht und geplanten Reform von Bilanzkontrollverfahren sowie weiterer Maßnahmen, schütze man „nicht nur die Anleger selbst, sondern alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler vor Betrug und Geldwäsche.“ Walter-Borjans weiter: „Ich bin Olaf Scholz dankbar, dass er so schnell und konsequent auf die jüngsten Ereignisse reagiert und in Kürze einen bereits abgestimmten Gesetzesentwurf vorlegen wird.”