„Umgang mit Kindesmissbrauchsmaterial im Internet zielgerichtet regulieren“

Der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres hat seine Position für den Verordnungsvorschlag zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch online angenommen. Der Kommissionsvorschlag wollte verschlüsselte Kommunikation aufbrechen und Kommunikationsinhalte umfassend auffindbar machen, um Kindesmissbrauchsmaterial zu identifizieren. Das Parlament hat sich demgegenüber auf eine Position geeinigt, die das Risiko auf Internetdiensten für Kinder verringern kann und die Prävention von Kindesmissbrauch effektiver gestaltet. Dies soll unter Wahrung der Grundrechte aller Nutzer* innen im Netz erfolgen sowie die Ende-zu-Ende verschlüsselte Kommunikation stärken, ohne Hintertüren für Überwachungen.

Birgit Sippel, innenpolitische Sprecherin der S&D-Fraktion:

„Mit der heute angenommenen Parlamentsposition zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch online setzen wir ein wichtiges Zeichen für den zielgerichteten Umgang mit und im Kampf gegen Kindesmissbrauchsmaterial im Internet. Dass wir Kinder vor Missbrauch im Internet schützen müssen, steht außer Frage. Doch das darf nicht zu Lasten der Grundrechte aller und insbesondere des Rechts auf Privatsphäre und Vertraulichkeit der Kommunikation geschehen. Deswegen haben wir im Europaparlament den Kommissionsvorschlag, der eine umfassende Überwachung unserer Kommunikation für das Scannen nach Kindesmissbrauchsmaterial vorsieht, im Sinne einer echten Prävention und Risikoverminderung weiterentwickelt.

Der Kommissionsvorschlag konzentriert sich vor allem auf das Erkennen und Entfernen von Kindesmissbrauchsmaterial, nachdem der Missbrauch bereits stattgefunden hat. Dazu sei laut Kommission eine ständige Überwachung aller Kommunikation und ein Durchbrechen unserer Ende-zu-Ende-verschlüsselten Kommunikation nötig. In der Parlamentsposition haben wir stattdessen ein umfassendes Verbot von genereller Überwachung und den Schutz von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung festgelegt. Außerdem haben wir einen stärkeren Fokus auf präventive Maßnahmen eingebaut. Kinder sollen einen einfachen Zugang zu Helplines bekommen und durch Aufklärung im Vorhinein vor Gefahren, wie etwa Grooming, besser geschützt werden. Auch werden Nutzer*innen dazu ermutigt, Kindesmissbrauchsmaterial zu melden.“

Wenn das Verhandlungsmandat des Europäischen Parlaments nach Verkündigung seitens der Präsidentin in der November-Plenarsitzung nicht angefochten wird, gilt die Parlamentsposition als angenommen. Der Rat hat sich bisher noch nicht auf eine allgemeine Ausrichtung einigen können.

„Harte Verhandlungen stehen bevor“ – Einigung zur Asyl-Krisenverordnung

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Die EU-Innenministerinnen und -minister haben sich soeben in Brüssel auf eine Position zur Krisenverordnung geeinigt.

Birgit Sippel, innenpolitische Sprecherin der S&D-Fraktion:
„Mit dieser Einigung haben sich die Mitgliedstaaten nun endlich zu allen auf dem Tisch liegenden Gesetzesvorschlägen positioniert. Damit sind nun immerhin die Voraussetzungen erfüllt, die Verhandlungen des gesamten Pakets mit dem EU-Parlament vor den Europawahlen nächstes Jahr abzuschließen. Zudem können wir die politischen Triloge zur Screening- und Eurodac-Verordnung wiederaufnehmen, dessen Aussetzung eine Mehrheit der Fraktionen im Europäischen Parlament aufgrund des fehlenden Fortschritts des Rats beschlossen hatte. 

Gleichzeitig wird es eine Herausforderung sein, bei der Krisenverordnung einen Kompromiss zu finden zwischen der Position der Mitgliedstaaten, die auf massiven Verschärfungen des Asylrechts in Krisensituationen fußt, und dem solidarischen Ansatz des Europaparlaments, bei dem sich Mitgliedstaaten in Krisensituationen unter die Arme greifen sollen. Hier stehen uns harte Verhandlungen bevor, für die wir aufgrund der Verzögerung im Rat nur noch wenige Monate haben.

Grundsätzlich gilt jedoch: Mit der richtigen Asylreform können wir einen wichtigen Schritt nach vorne machen, um die Regeln zum Umgang mit schutzsuchenden Menschen zwischen den Mitgliedstaaten zu harmonisieren und Grundrechte von Schutzsuchenden und das individuelle Recht auf Asyl zu bewahren.“

„Konservative im Angstbündnis mit Rechtsextremen“

EU-Parlament stimmt für Mandate zur Migrationsreform

Das Europäische Parlament hat am heutigen Donnerstag in Straßburg für Schlüsseldossiers des neuen europäischen Migrationspakts gestimmt. Jetzt können die Verhandlungen mit Rat und Kommission über die Screening-Verordnung, die Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement sowie die Krisen-Verordnung starten.

Die rechtsextremen Fraktionen EKR und ID hatten zuvor die vom Innenausschuss Ende März mehrheitlich beschlossenen Mandate angefochten, so das eine zusätzliche Abstimmung im Plenum nötig geworden war.

Birgit Sippel, innenpolitische Sprecherin der S&D-Fraktion und Berichterstatterin des EU-Parlaments zum Screening:

“Beim Migrationspakt sind verbindliche Lösungen über Kontrolle und Zusammenarbeit an den EU-Grenzen nötig. Konstruktiv sind langfristige Vereinbarungen, die auf verbindlicher Solidarität gegenüber den Schutzsuchenden und unter den Mitgliedstaaten beruhen, die das Recht auf Asyl schützen und sicherstellen, dass jeder EU-Staat einen fairen Anteil der Verantwortung übernimmt.

Besonders wichtig ist das neue Screening-Verfahren, durch das flächendeckend alle irregulär eingereisten Menschen registriert werden und eine Identitäts- und Sicherheitsprüfung durchlaufen. So stellen wir in der EU sicher, dass wir stets wissen, wer einreist und schaffen damit eine bessere Grundlage für Verfahren. Zudem wird während des Screenings das Asylrecht gewahrt und Menschenrechte geachtet. Besonders Gefährdete bekommen so schnell Unterstützung.

Die gestrige Abstimmung der EVP über die Verwendung von EU-Geldern für den Bau von Mauern war hingegen ein Ablenkungsmanöver. Leider schlagen sich die Konservativen auf die Seite der Rechtsextremen und Rechtspopulisten in Europa, in dem sie das Thema Migration als Abschottungsdebatte führen anstatt ihre Unterstützung für Vorschläge wie den Schutz des Asylrechts zu feiern.

Die EVP läuft Gefahr, ihre proeuropäischen Wurzeln in einem Bündnis der Angstmacherei mit den Rechtsextremen zu verspielen. Manfred Weber sollte sich aus der Abhängigkeit von Giorgia Meloni befreien und zur Arbeit an verantwortungsvollen Lösungen zurückkehren, die von einer proeuropäischen Mehrheit unterstützt werden.”

Die Trilog-Verhandlungen mit Vertreter*innen von Rat, Kommission und Parlament müssen nun so schnell wie möglich starten, um eine Einigung vor der Europawahl im Sommer 2024 zu erzielen.

e-evidence: “Paradigmenwechsel bei der Ermittlung von Straftaten”

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Nachdem vergangenen Mittwoch der Ministerrat die Kompromisstexte zum sogenannten “e-evidence”-Paket bestätigt hatten, hat heute der Innenausschuss die Texte mit großer Mehrheit angenommen. Ziel ist die Verbesserung des grenzüberschreitenden Zugriffs von Ermittlungsbehörden auf elektronische Beweismittel in Strafverfahren.

Birgit Sippel, innenpolitische S&D-Sprecherin und Verhandlungsführerin des Parlaments für das e-evidence-Paket:

„Die Zahl der online begangenen Straftaten wächst. Elektronische Beweismittel – sogenannte e-Evidence – spielen daher eine zunehmend wichtige Rolle bei Ermittlungen und Strafverfahren. Der grenzüberschreitende Zugriff auf diese Beweismittel ist bisher allerdings langwierig, sodass Daten oft bereits gelöscht wurden, bevor die Strafverfolgung überhaupt beginnen kann.

Die Bestätigung der Kompromisstexte durch den Rat und den Innenausschuss des Parlaments macht nun endlich den Weg frei für eine Zeitenwende in der europäischen Zusammenarbeit von Polizei und Justiz. Erstmals wird nationalen Ermittlungsbehörden ermöglicht, Service-Provider in anderen EU-Mitgliedstaaten direkt zur Herausgabe oder Sicherung elektronischer Beweismittel aufzufordern, mit klaren Fristen und EU-weit einheitlichen Regeln.

Da das Strafrecht innerhalb der EU jedoch nur teilweise harmonisiert ist, birgt die direkte Zusammenarbeit zwischen einer Polizei- oder Justizbehörde eines Mitgliedstaats und dem Service-Provider in einem anderen Mitgliedstaat neben den Vorteilen für Ermittlungen auch Risiken-. Als Parlament haben wir daher darauf gepocht, dass Grundrechte gewahrt bleiben, insbesondere die Privatsphäre und der Datenschutz, aber auch Verfahrensrechte.

Auf Druck des Parlaments wird bei Anordnungen zur Herausgabe besonders sensibler Daten – Verkehrs- und Inhaltsdaten – künftig auch der Mitgliedstaat, in dem der Service-Provider sitzt, zeitgleich über die Anordnung informiert beziehungsweise ‚notifiziert‘, sofern nicht die gesuchte Person nachweislich im Ausstellungsstaat lebt und auch die Straftat dort begangen wurde. Die informierte Behörde muss dann die Anordnung innerhalb der Fristen überprüfen und die Anordnung gegebenenfalls verweigern, zum Beispiel, wenn die Tat im Land des Anbieters keine Straftat ist oder die Herausgabe der Daten eine Verletzung der Pressefreiheit bedeuten würde. Auch die Anbieter selbst können die ausstellende Behörde, aber auch die Behörden ihres Landes auf kritische Anordnungen aufmerksam machen.“

Die EU-Kommission hatte ihre Vorschläge für das e-evidence-Paket im Jahr 2018 vorgelegt. Im Anschluss an die Bestätigung der Kompromisstexte durch Rat und Parlament werden die Texte nun noch einmal final sprachlich von Jurist*innen der drei Institutionen geprüft und in die Amtssprachen der EU übersetzt, bevor das Plenum des Europäischen Parlaments und der Rat die finalen Texte voraussichtlich im Frühjahr annehmen können.

„Bald mehr Rechtssicherheit bei Datentransfer zwischen der EU und den USA?”

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Die EU-Kommission hat einen sogenannten Beschluss-Entwurf hinsichtlich der Feststellung eines angemessenen Datenschutzniveaus zwischen der EU und den USA veröffentlicht, sogenanntes EU-US Data Privacy Framework.

Das zukünftige EU-US-Datenschutzschild beinhaltet Vorgaben für den Transfer personenbezogener Daten von EU-Bürger*innen und attestiert den USA ein vergleichbares Schutzniveau wie in der Europäischen Union. Der Europäische Gerichtshof erklärte 2020 in der Schrems-II-Entscheidung das sogenannte Privacy Shield für ungültig. Die Nichtigerklärung durch den EuGH erfolgte deswegen, da das US-Datenschutzniveau im Vergleich zu den EU-Vorgaben nicht eingehalten wurde, aufgrund der umfassenden Überwachungsgesetzgebung, unzureichender Rechtsschutzmaßnahmen und Eingriffen in die Grundrechte betroffener Personen. Das Privacy Shield war der Nachfolger des bereits 2015 im Schrems-I-Urteil gekippten Safe Harbor-Abkommen.

Birgit Sippel, innenpolitische Sprecherin der S&D-Fraktion:
„Es ist ein wichtiges Zeichen, dass die EU-Kommission und die US-Administration an Lösungen für den rechtssicheren transatlantischen Datentransfer gearbeitet haben. Einige der vom EuGH festgestellten Mängel hinsichtlich des EU-US Privacy Shields erfordern jedoch weitergehende gesetzgeberische Maßnahmen in den USA, insbesondere, um den Zugang zu Rechtbehelfen im Falle von Datenmissbrauch zu gewährleisten. 

Die Ankündigung eines Prüfmechanismus durch das ‘Civil Liberties Oversight Boards’ als Rechtsbehelf ist ein erster Schritt, um Geheimdienst-Aktivitäten zu überprüfen. Nun ist zweifelhaft, ob es mit konkreten Befugnisse zur Änderung der Rechtslage ausgestattet werden wird oder lediglich tadelnd deren Einhaltung fordert. Dies stellt im Kern keinen Rechtschutz für EU-Bürger*innen dar.

Ein Herzstück des heutigen Entwurfs des Angemessenheitsbeschlusses ist der neue Rechtsmittelmechanismus. Das ‘Datenschutz-Überprüfungsgericht’ soll zur Überprüfung der Entscheidungen des Civil Liberties Oversight Boards eingerichtet werden. Das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf in Artikel 47 der Grundrechtecharta ist primärrechtlich verankert und wird bei der Überprüfung dieses Gerichts, welches eine gefährliche Nähe zur US-Exekutive aufweist, eine wichtige Rolle spielen. Ich halte es für fraglich, ob dieser Data Protection Review Court wirklich Gericht genannt werden kann, wenngleich es ein erheblicher Fortschritt zum mäßig wirksamen Ombuds-System des bisherigen Privacy Shields darstellt.

Die Mitgliedstaaten werden nun Vertreter*innen entsenden, die den Entwurf zusammen mit dem Europäischen Datenschutzausschuss bewerten und den Durchführungsrechtsakt beschließen. Als EU-Parlament werden wir das weitere Verfahren sehr genau verfolgen und die Bewertung des Europäischen Datenschutzausschusses abwarten. Anschließend wird der Innenausschuss über eine Resolution verhandeln.

Interessanterweise können die USA ebenso die Zügel in die Hand nehmen und die EU als sogenannten qualifizierten Staat, ähnlich dem DSGVO-Angemessenheitsbeschluss, einstufen. Das heißt, die USA nehmen ebenso eine Bewertung des Datenschutzes anderer Länder vor. Mit Blick auf die vorhandene und geplante europäischen Überwachungs-Gesetzesvorhaben der EU-Kommission wäre es interessant, ob die EU sich überhaupt selbst einen Angemessenheitsbeschluss erteilen würde.”

„EU-Staaten müssen sich besser abstimmen“

Das Europäische Parlament hat heute in Straßburg für die Neufassung der Richtlinie über die Widerstandsfähigkeit kritischer Infrastruktur gestimmt. Der Anwendungsbereich ist im Vergleich zur alten Richtlinie von 2008 deutlich erweitert worden. Neben Verkehr und Energie werden nun elf Sektoren abgedeckt: Energie, Verkehr, Banken, Finanzmarktinfrastrukturen, Gesundheit, Trinkwasser, Abwasser, digitale Infrastrukturen, öffentliche Verwaltung, Raumfahrt und Lebensmittel. Durch die Richtlinie werden harmonisierte Mindestanforderungen in allen EU-Staaten vorgeschrieben, um Risiken zu bewerten und nationale Strategien zu erstellen.

Birgit Sippel, innenpolitische S&D-Sprecherin:
Wie verwundbar kritische Infrastrukturen sind und wie dringend der Handlungsbedarf ist, zeigen die Beispiele rund um die Sabotage der beiden Nord-Stream-Gaspipelines in der Ostsee oder der Ausfall des Zugverkehrs in Norddeutschland vor einigen Wochen. Das EU-Parlament hat sich dafür eingesetzt, dass der Anwendungsbereich möglichst breit ist und harmonisierte Standards in allen EU-Staaten gelten.

Dank des weiten Anwendungsbereich können Regierungen und Behörden künftig besser auf gegenseitige Abhängigkeiten grenzüberschreitend reagieren sowie auf mögliche Kaskadeneffekte bei einem Zwischenfall. Mit der neuen Richtlinie können die EU-Staaten langfristige Herausforderungen gemeinsam angehen. Die neuen Vereinbarungen nehmen die Betreiber der Infrastruktur in die Pflicht, sodass wir in Europa gegen Bedrohungen wie Naturgefahren, Terroranschläge oder eine Pandemie effektiver vorbereitet sind.”

Die Richtlinie ermöglicht eine bessere Koordinierung, um europäische Anstrengungen im Bereich der Vorsorge, Reaktionsfähigkeit und internationaler Zusammenarbeit auszubauen und zu verstärken. Neben den strategischen Bemühungen und regelmäßigen Risikobewertungen müssen die Mitgliedstaaten technische und organisatorische Maßnahmen ergreifen, um die Widerstandsfähigkeit von diesen Infrastrukturen zu verbessern und Vorfälle rechtzeitig zu melden. Die Regierungen müssen zudem sicherstellen, dass nationale Behörden über die Befugnisse und Mittel verfügen, um Vor-Ort-Inspektionen bei diesen Einrichtungen durchzuführen.
Nach der Veröffentlichung im Amtsblatt müssen die Mitgliedstaaten die neuen Bestimmungen innerhalb von 21 Monaten in nationales Recht umsetzen.

“Der Anfang einer Lösung”

Die EU-Innenminister*innen haben sich bei ihrem heutigen Treffen in Luxemburg grundsätzlich auf eine Solidaritätserklärung mit freiwilligem Verteilungsmechanismus geeinigt, insbesondere für Seenotrettungsfälle. Zusätzlich wurden Verhandlungsmandate für das Screening beschlossen, das Identitäts-, Sicherheits- und Gesundheitsprüfungen von irregulär eingereisten Drittstaatsbürger*innen an den Außengrenzen harmonisieren soll, sowie für die Eurodac-Datenbank, in der Asylbewerber*innen registriert werden sollen.

Birgit Sippel MdEP, innenpolitische Sprecherin der S&D-Fraktion:

“Die Solidaritätserklärung kann ein wichtiger Schritt zur gegenseitigen Vertrauensbildung zwischen den EU-Mitgliedstaaten sein. Die Einigung kann jedoch nur der Anfang einer Lösung sein. Die Debatten der nationalen Regierungen über eine Asylreform sind dermaßen festgefahren, dass tatsächlich bereits eine freiwillige, rechtlich nicht-bindende Erklärung für den Rat ein signifikanter Fortschritt ist. Das mag für manche enttäuschend sein, dennoch gilt es, darauf jetzt aufzubauen. Die französische Ratspräsidentschaft wirbt für eine Balance zwischen Verantwortung und Solidarität, die nur erreicht werden kann, wenn beide Elemente auf der gleichen gesetzlichen Ebene stehen. So viel ist klar. Das ist derzeit allerdings nicht der Fall. Ein mögliches neues Screening-Verfahren und die Überarbeitung der Eurodac-Datenbank für Asylbewerber*innen wären Verordnungen, die alle EU-Staaten verbindlich umsetzen müssen. Der Solidaritätsmechanismus basiert bisher hingegen nur auf einer freiwilligen Absichtserklärung ausgewählter Mitgliedstaaten, die rechtlich nicht durchsetzbar ist und damit auf wackligen Beinen steht.

Diese Unausgewogenheit der gewählten Rechtsmittel wird im Parlament auf Widerstand stoßen und muss im Rat schnellstmöglich angegangen werden, um die Asylreform noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen. Dabei kann neben der Solidaritätserklärung auch die Erfahrung helfen, die wir derzeit mit Geflüchteten aus der Ukraine machen. Auch wenn nicht alles reibungslos läuft, hat sich doch gezeigt, dass ein offener und solidarischer Umgang mit Geflüchteten in der EU möglich ist. Hier gilt es, die richtigen Lehren aus der Integration in unsere Gesellschaft, inklusive Ausbildung und Arbeitsmarkt, zu ziehen und sie auf alle schutzbedürftigen Menschen anzuwenden.”

Laut EU-Innenkommissarin Ylva Johansson wird die konkrete Ausarbeitung der Solidaritätserklärung in den kommenden Tag vertieft. Die Teilnahme der Mitgliedstaaten an einem Verteilungsmechanismus erfolgt freiwillig.

EU-Kommission stellt Paket zur legalen Migration vor: „Vorschläge erfüllen nicht die Erfordernisse“

Viele Unternehmen in Europa kritisieren den Mangel an Fachkräften. Dennoch wurden EU-weite Einwanderungsmöglichkeiten, die derzeit hauptsächlich für hochqualifizierte Arbeitskräfte bestehen, kaum genutzt – auch, weil die Mitgliedstaaten bisher auf ein Gewirr nationaler Systeme setzen. Mit der Neufassung zweier Richtlinien zu langfristigen Aufenthaltsberechtigungen will die EU-Kommission heute eine neue Initiative starten.

Birgit Sippel, innenpolitische Sprecherin der S&D-Fraktion und heimische SPD-Europaabgeordnete:

“Ich begrüße, dass die EU-Kommission jetzt vorgeschlagen hat, einige Regeln für Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen sowie für langfristige Aufenthaltsberechtigungen zu vereinfachen. Wichtig ist insbesondere, dass die gängelnde Auflage abgeschafft wird, zum Erhalt eines Langzeitaufenthaltstitels fünf Jahre lang nur in einem EU-Staat leben zu dürfen. Wer also nur einmal den Arbeitsort in einen anderen Mitgliedstaat wechselt verlängert damit bisher zugleich die Wartezeit für einen langfristigen Aufenthaltstitel. Auch ein möglicher Talentpool, um kurzfristig speziell aus der Ukraine geflohene Menschen besser in die nationalen Arbeitsmärkte zu integrieren, ist lobenswert.

Dennoch bleiben die Kommissionsvorschläge weit hinter den Forderungen des Parlaments zurück. Wir Abgeordnete hatten unter anderem ausdrücklich gefordert, die Zulassungsregelungen über hochqualifizierte Arbeitskräfte hinaus auszuweiten, denn ein Mangel an Arbeitskräften existiert nicht nur bei Hochqualifizierten, sondern in vielen anderen Bereichen. Das Parlament hat die EU-Kommission in den letzten Jahren in zwei Initiativberichten ermutigt, ambitionierte Reform für Arbeitsmigration vorzulegen. Leider scheint die Kommission diese Ambition nicht zu teilen. Sofern nicht noch weitere Vorschläge kommen, wovon wir leider derzeit nicht ausgehen können, bliebe am Ende dieser Legislaturperiode ein äußerst dürftiges Arbeitszeugnis der Kommissionspräsidentin Von der Leyen bei der so wichtigen Verbesserung legaler Migrationswege.”

Über die Neufassung der zwei Richtlinien werden nun Vertreter*innen von Parlament und Rat verhandeln.

“Endlich gleiche Mindeststandards für die ganze EU”

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Die EU-Kommission will am morgigen Internationalen Frauenkampftag, Dienstag, 8. März, einen Richtlinien-Entwurf gegen Gewalt an Frauen vorstellen. Die S&D-Fraktion hatte eine solche Richtlinie seit Langem gefordert. Zur Regelung gehören Unterstützung und Maßnahmen zum Schutz gegen Gewalt sowie zur Hilfe für Opfer und Mindeststandards bei der Strafverfolgung.

Maria Noichl, gleichstellungspolitische Sprecherin der S&D-Fraktion:

“Gut, dass die EU-Kommission endlich ihr Versprechen eingelöst hat, Gewalt gegen Frauen europaweit zu bekämpfen. Nachdem die EU-Ratifizierung der Istanbul-Konvention seit Jahren im Rat festhängt, folgt die EU mit einer eigenen Richtlinie nun dem Plan B, den wir Sozialdemokrat*innen so lange fordern.

Vergewaltigung wird im Text klar definiert, das Einverständnis in den Mittelpunkt gerückt, wie es in Deutschland auch durch die Reform des Sexualstrafrechts im Jahr 2016 endlich geschehen ist. Dies wird damit nun europaweit Standard werden, ‚Nein heißt Nein‘ muss überall in der EU gelten. Die Richtlinie treibt die Prävention sowie die europaweite Erhebung verlässlicher statistischer Daten voran. Der Gesetzesvorschlag ist eine sehr gute Nachricht für Frauen sowie Organisationen in der EU, die gegen Gewalt und Diskriminierung arbeiten.

Durch die in manchen Bereichen nach wie vor fehlende Rechtsgrundlage in der EU, ist die Richtlinie jedoch nicht das allumfassende Instrument, das wir uns gewünscht hätten. Der Vorschlag kann daher nur ein weiterer Schritt zur europaweiten Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt sein.”

Birgit Sippel, innenpolitische Sprecherin der S&D-Fraktion und Heimische SPD-Europaabgeordnete:

„Es ist eine Schande, dass Gewalt gegen Frauen auch im 21. Jahrhundert noch immer zum Alltag gehört. Die Beschränkungen der Pandemie, haben die Situation vielerorts zusätzlich verschlimmert. Ich begrüße, dass die geplante Richtlinie explizit auch Gewalt gegen Frauen online umfassen soll. Noch immer verursacht das  Gefühl des vermeintlich rechtslosen Raumes im Netz, dass überdurchschnittlich oft Frauen zur Zielscheibe verbaler physischer Gewalt werden.

Positiv ist auch, dass die Richtlinie Genitalverstümmelung aufgreift und ihre europaweite Kriminalisierung durchsetzen möchte. Eine Bedrohung, die nicht nur außerhalb der EU, sondern direkt vor unserer Haustür real existiert: Nach Schätzungen leben rund 600.000 beschnittene Frauen in der Europäischen Union und weitere 180.000 Mädchen sind dem Risiko der Genitalverstümmelung ausgesetzt.. Wichtig ist, dass nicht nur die durchführende Person bestraft werden soll, sondern auch die Person, die das Kind dabei begleitet: Wer dabei ist, wer zuschaut, wer die Entscheidung trifft, macht sich schuldig.

Nach der Vorstellung der EU-Kommission verhandeln Vertreter*innen von Kommission, Europäischem Parlament und Rat über eine Vereinbarung, über die das Europäische Parlament im Anschluss final abstimmen wird.

Entscheidungen über Europäisches Asylsystem: “Reform ist möglich – wenn Mitgliedstaaten wollen”

Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen mit Sitz auf Malta (EASO) soll nach jahrelangen Verhandlungen durch ein neues Mandat zu einer unabhängigen EU-Agentur mit zusätzlichem Personal und erweiterten Kompetenzen werden. Das Parlament wird voraussichtlich im November darüber abstimmen. Die Europa-Abgeordneten debattieren am heutigen Donnerstag im Plenum über die neue Asylagentur der Europäischen Union (EUAA). Birgit Sippel, innenpolitische Sprecherin der S&D-Fraktion:

“Die lange überfällige Aufwertung zur Europäischen Asylagentur zeigt, dass eine Reform des EU-Asylsystems möglich ist, sofern sich die Mitgliedstaaten auf eine Position dazu einigen können. Die Stärkung der Agentur stellt einen ersten Schritt in Richtung echter Solidarität, effektiverer Asylverfahren und eines stärkeren Schutzes der Grundrechte dar. Zu den wichtigsten Aufgaben der neuen Agentur wird gehören, die Umsiedlung und Neuansiedlung von Personen zu unterstützen, die internationalen Schutz beantragen oder bekommen. Angesichts der zunehmenden Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen an unseren EU-Außengrenzen ist dies dringender denn je.

Ich bin nach einem Gespräch mit der Direktorin Nina Gregori und einem Besuch des Unterstützungsbüros auf Malta letzte Woche zuversichtlich, dass die Agentur ihre Aufgaben schnell wahrnehmen kann, sobald die rechtlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind. Wir drängen deshalb auf eine möglichst baldige Abstimmung im Plenum, sodass die neue Agentur noch vor Jahresende ihre Arbeit aufnimmt.”