Zusammenstehen in der Krise und danach

Wir müssen jetzt über die Verteilung der Lasten der Corona-Krise diskutieren

Die Corona-Krise stellt unsere Gesellschaft vor ungeahnte Herausforderungen. Das öffentliche Leben ist deutlich eingeschränkt, viele Menschen sind von Arbeitslosigkeit bedroht und Unternehmen bangen um ihre Existenz. Und das alles vor dem Hintergrund einer Pandemie, die uns Angst macht, Angst um die eigene Gesundheit und die unserer Familien und Freunde.

Die öffentliche Hand, Staat und Kommunen haben schnell reagiert und stellen Milliardenhilfen für Unternehmen und Arbeitnehmer*innen zur Verfügung. Das ist richtig so und unterstreicht noch einmal, wie wichtig funktionierende staatliche Strukturen und Institutionen sind.

Allerdings schießt die Verschuldung der öffentlichen Haushalte durch diese Soforthilfen immens in die Höhe. Da fragen sich viele, wie das in Zukunft eigentlich zurückgezahlt werden soll. Durch Abbau von staatlichen und sozialen Leistungen und Steuererhöhungen für Gering- und Normalverdiener? Oder durch erhöhte Steuern und Abgaben von denjenigen, die große Vermögen und Einkommen haben? Wer jetzt, wie FDP- und CDU-Politiker*innen und wirtschaftsliberale Kommentatoren diese Diskussion mit dem Hinweis, man müsse jetzt erstmal die Krise bewältigen und alles andere sei „sozialistische Symbolpolitik“, abwürgen möchte, für den oder die steht ja vielleicht schon längst fest, dass die Zeche am Ende jedenfalls nicht aus den großen Vermögen und Einkommen bezahlt werden soll.

Gerecht ist die Einkommens- und Vermögensverteilung in unserem Land schon heute nicht:
Die reichsten 10 % der Deutschen besitzen mehr als die Hälfte des Vermögens (56 %). Die ärmere Hälfte verfügt nur über 1,3 %. Das reichste Prozent der Deutschen besitzt knapp 1/5 des Gesamtvermögens (18 %). Die 45 reichsten Haushalte besitzen genau so viel wie ca. 20 Mio. Haushalte, d.h. die ärmere Hälfte der dt. Bevölkerung. Im internationalen Vergleich ist Deutschland eines der Länder im Euroraum mit der höchsten Vermögensungleichheit. (Quelle – Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 2019)

Es wäre geradezu fatal, wenn die Corona-Krise dazu führen würde, diese Ungleichheit im Ergebnis noch zu verschärfen. Christian Lindner fordert schon jetzt Steuersenkungen, von denen im Ergebnis vor allem die profitieren, die hohe Einkommen und Vermögen haben. Gerecht und solidarisch hingegen wäre es, wenn die starken Schultern auch hier mehr tragen als die schwachen. Gemeinsam die Krise zu meistern heißt auch, die Kosten gerecht zu verteilen.

Zurzeit wird viel über die Menschen gesprochen, die im Gesundheitswesen oder in der Pflege arbeiten und die, neben den Beschäftigten im Lebensmittel-Einzelhandel, den „Laden am Laufen“ halten. Sie bekommen viel öffentliche und politische Wertschätzung und das zu Recht. Nun gehören gerade diese Arbeitnehmer*innen nicht gerade zu den Großverdienern, im Gegenteil. Es wäre an der Zeit, in diesen Bereichen für eine gerechte Bezahlung zu sorgen. Ihre Einkommen werden aber am Ende durch Steuern und (Sozial-) Abgaben finanziert. Wir brauchen also nach Corona mehr Geld in den öffentlichen Kassen. Wir brauchen es, um die jetzt aufgenommen Kredite zurückzuzahlen und wir brauchen es, um die Beschäftigten im Gesundheitswesen und in der Pflege gerecht zu bezahlen.

Wenn sich Christian Lindner und andere mit ihren Vorstellungen von einer „Entlastung der Wirtschaft“ durch Steuersenkungen durchsetzen, werden die „Held*innen der Corona-Krise“ am Ende auch finanziell die Zeche zahlen. Denn von Steuersenkungen haben sie in der Regel wenig, dafür verdienen sie schlicht nicht genug. Sie würden aber belastet durch mögliche Kürzungen von Sozialleistungen und ein finanziell nicht ausreichend ausgestattetes Gesundheits- und Pflegesystem.  Ob das geschieht, hängt von politischen Entscheidungen ab. Und die entstehen nach politischen Diskussionen und gesellschaftlichen Debatten. Die Forderung nach einer Vermögensabgabe und höheren Steuern für Großverdiener ist deshalb nicht nur inhaltlich richtig, sie kommt auch zur richtigen Zeit.

Zum Autor: Michael Buhre ist Vorsitzender der SPD Minden-Lübbecke und war von 2004 bis 2015 Bürgermeister der Stadt Minden