Neue Wirtschaftspolitik der SPD: Beharrlichkeit statt Feuerwerk
Nein, ein Feuerwerk ist der Start der beiden neuen SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans nicht. Die Umfragewerte der SPD steigen nicht so schlagartig an wie vor drei Jahren, als Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten gekürt wurde. Aber der Schulz-Hype, der im katastrophalen Wahlergebnis von 2017 endete, hat ja auch gezeigt, dass die SPD keine schnell verrauchten Feuerwerke braucht, sondern eine grundsätzliche Schärfung des Profils.
Die Wirtschaft steht wieder im Mittelpunkt der SPD-Politik
Den Weg zu dieser Schärfung hat die Partei auf dem Bundesparteitag im Dezember angetreten. Erstmals seit der Agenda 2010 steht dabei die Wirtschaft wieder im Mittelpunkt sozialdemokratischer Politik. Und das nicht mit dem Fokus einer rückwärtsgewandten Auseinanderzeitung mit Fehlern der Vergangenheit, sondern mit dem Fokus gegenwärtiger und zukünftiger Veränderungen durch die Globalisierung, die Digitalisierung und die dringend notwendige ökologische Transformation.
Es geht im Kern darum, welche Rolle der Staat bei der Wertschöpfung, aber auch der sozialen Absicherung in einer veränderten Wirtschaft spielen soll und muss. Denn dass der Markt nicht von allein alles besser regelt, weiß man spätestens seit der Finanz- und Wirtschaftskrise. Dass die SPD neben dem Ökonomen Norbert Walter-Borjans und der Digital-Expertin Saskia Esken zusätzlich den Wirtschaftsprofessor Gustav Horn in den Parteivorstand gewählt hat, zeigt die Ernsthaftigkeit, mit der nach neuen Konzepten für eine veränderte Wirtschaft gesucht werden soll.
Die CDU hat sich verrannt
Die neue inhaltliche Fokussierung der SPD offenbart dabei die Schwäche der CDU. In ihrer wirtschaftspolitischen Ideenlosigkeit greift sie auf ein Rezept zurück, das sonst eher Linken nachgesagt wird: Gefühlsbetonte und moralisch übersteuerte Identitätsdebatten. Statt drohender Altersarmut ein Konzept sicherer Rente entgegenzustellen, will die CDU lieber darüber reden, wie Rentner*innen sich bei WDR-Satiren fühlen. Statt über eine finanzielle Ausstattung des Staates zu sprechen, in der Polizeistellen nicht immer weiter abgebaut werden müssen, will die CDU lieber darüber reden, wie Polizist*innen sich bei Sicherheitsdebatten fühlen.
Die Devise scheint zu sein: Trotz aller Veränderung der Voraussetzungen soll politisch alles so bleiben wie es ist. Die CDU hat sich offenbar in den eigenen Erzählungen verrannt. Statt einzuräumen, dass ohne massive staatliche Investitionen in Forschung, Bildung und Infrastrukturdie europäische Industrie gegen amerikanische Tech-Konzerne und chinesische Staatsunternehmen den Kürzeren ziehen wird, trägt man die schwarze Null wie eine Monstranz vor sich her. Statt zu erkennen, dass eine Umstellung des Sozialstaats auf mehr Weiterbildung und Sicherheit statt Bestrafung in Zeiten der Digitalisierung vernünftig ist – und zwar vollkommen unabhängig, ob man die Agenda 2010 für richtig hielt oder nicht –, will man nichts am Sozialstaat verändern.
Die SPD sollte sich nicht irritieren lassen
Statt die Vorstöße von Norbert Walter-Borjans zum Umbau des Steuersystems zu unterstützen, weil die Mittelschicht darunter leidet, dass in Deutschland der Faktor Arbeit deutlich stärker belastet wird als der Faktor Kapital, stellt man sich quer. Und statt klar Farbe zu bekennen, dass Klimapolitik Fortschrittspolitik sein muss und deshalb eine funktionierende Energiewende eine Schlüsselaufgabe ist, wird der Ausbau von Windenergie (in den Ländern übrigens besonders gern zusammen mit den Grünen) blockiert.
Die SPD sollte sich von den Ablenkungsmanövern nicht irritieren lassen und konsequent für die notwendigen Veränderungen eintreten. Mehr staatliche Investitionen, um die Weichen in die Zukunft zu stellen; ein Umbau des Sozialstaats, um im Wandel den Menschen Sicherheit zu bieten; Steuerreformen zugunsten der Menschen, die darauf angewiesen sind zu arbeiten statt das eigene Geld für sich arbeiten zu lassen; Klimapolitik industriepolitisch denken und den Ausbau Erneuerbarer Energien schneller vorantreiben. All das eignet sich nicht für kurzfristige Feuerwerke. Aber ein mittelfristiger Umschwung der politischen Stimmungslage kann damit gelingen.
Der Artikel ist zuerst erschienen auf vorwärts.de
Zum Autor: Micha Heitkamp ist stellv. Vorsitzender der Mühlenkreis-SPD und Vorsitzender der JusosOWL