Solidarpakt Zukunft

Für den Wiederaufbau der Wirtschaft nach der Corona-Krise fordert NRWSPD-Vorsitzender Sebastian Hartmann umfassende Konjunkturpakete im Bund und im Land. Was wir jetzt brauchen, ist ein „Solidarpakt Zukunft“. Wesentliche Aspekte des Pakts sind ein starker Sozialstaat mit guten Arbeitnehmer*innenrechten, durchdachte und teils neu und gerechter verteilte Kommunalfinanzen sowie eine progressive Industriepolitik.

Die Corona-Pandemie trifft unsere Gesellschaft und Wirtschaft hart. Ökonomen sprechen bereits von einem Corona-Schock. Die Soforthilfen für Arbeitnehmer*innen, Solo-Selbstständige und Unternehmen waren richtig, diese Maßnahmen stabilisieren. Jetzt geht es aber auch darum, eine Perspektive aufzuzeigen: Umfassende Konjunkturpakete im Bund und im Land NRW sind notwendig, um unsere Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft wieder in die Spur zu bringen. Die Wirtschaft ankurbeln und gleichzeitig sozial, gerecht und innovativ umbauen, das muss das Ziel sein. Wenn wir jetzt investieren, stärken wir die Nachfrage im Binnenmarkt und lokale Wirtschaftsstrukturen, an denen zahlreiche Arbeitsplätze hängen.

Die Schlüsselfrage ist: Nutzen wir die aktuelle, historische Herausforderung, um auch neue, innovative Wege in Staat und Wirtschaft zu gehen? Ich schlage daher einen „Solidarpakt Zukunft“ vor, der in die Zukunft investiert und den Menschen in NRW eine Perspektive bietet.

Wir müssen die Chancen für Nordrhein-Westfalen nutzen, anstatt Märkte zu entfesseln. Der Kohleausstieg und der Umbau der Energieerzeugung im Energieland NRW schreitet parallel zur Corona-Krise weiter voran. Der Brexit wird den Export- und Industriestaat NRW wegen der engen Verflechtung mit Großbritannien treffen. Die Corona-Krise beschleunigt die Digitalisierung und Umbrüche in der Automobilbranche. Dies fordert die mittelständisch geprägte Zulieferbranche in NRW besonders. Diese Transformation müssen wir sozial und ökologisch ausrichten.

Ein Schwerpunkt des Solidarpakts Zukunft ist daher die stärkere Steuerung des industriellen Wandels in NRW. In der Vergangenheit hat das Land bereits bewiesen, Wandel in Industrie und Gewerbe solidarisch gestalten zu können. Mehr als 1,3 Millionen Menschen sind in der nordrhein-westfälischen Industrie beschäftigt. Der bevorstehende Umbruch braucht daher ein klares Bekenntnis zur Industrie in NRW und den Schlüsselbranchen wie Maschinenbau oder der Chemiebranche. Die Kosten der Transformation sollten öffentlich durch Bund und Land kofinanziert werden vor allem mit Blick auf die mittelständischen Wirtschaftsstrukturen. Jetzt bietet sich die Chance und Pflicht, unsere Industrie entlang klarer Linien umzubauen. Die guten Erfahrungen mit dem Kurzarbeitergeld in der Corona-Krise beweisen die Eignung des Instruments beispielsweise für ein „Transformationskurzarbeitergeld“, das Weiterbildung der Arbeitnehmer*innen fördert und gleichzeitig Unternehmen im Umbruch stützt.

Eng verknüpft ist damit das stärkere Vorantreiben der Energiewende in NRW, doch der Zubau erneuerbarer Energien stockt. In NRW ist selbstverständlich auch die gesamte Energieerzeugung Schlüsselindustrie. Wir wollen weg von den fossilen Energieträgern, aber auch die Steigerung der Energieeffizienz und Speichertechnologien vorantreiben. Bezahlbare, sichere Energie ist das Rückgrat eines erfolgreichen NRW. Darum muss die Energiewende solidarisch sein, zwischen den Generationen, der Industrie, den Beschäftigten und den Bürger*innen.

Das Land braucht daher keine weiteren Entfesselungspakete, sondern ein klares Bekenntnis zu Arbeitnehmerschutzrechten und der Stärkung der Tarifbindung. Öffentliche Aufträge dürfen nur an tarifgebundene Unternehmen gegeben werden und damit vorbildliche Arbeitgeber*innen und Unternehmen auch privilegiert werden. Die massive Ausweitung der öffentlichen Investitionstätigkeit, die stärkere Kofinanzierung und Absicherung des Umbruchs durch öffentliche Mittel erfordern eine stärke Beteiligung der Arbeitnehmer*innen an der Steuerung. Es setzt zugleich voraus, dass die Steuerzahler sich auch darauf verlassen können, dass mit ihrem Geld keine Steuerdumpingmodelle oder Tarifflucht bei Arbeitgeber*innen gefördert wird. In den siebziger Jahren ist der sozial-liberalen Koalition eine massive Demokratisierung der Wirtschaft durch Stärkung der Mitbestimmung gelungen – das muss auch heute der Maßstab sein.

Alles steht und fällt jedoch mit der Stärkung und Entlastung der Kommunen, das ist ein zentraler Bestandteil des „Solidarpakt Zukunft“. Die Städte und Gemeinden sind für einen Großteil der öffentlichen Investitionen verantwortlich. Zuhause vor Ort werden Lebensperspektiven der Bürgerinnen und Bürger gestaltet. Die Altschuldenproblematik der nordrhein-westfälischen Kommunen hemmt jedoch Investitionstätigkeit und Personalgewinnung für eine leistungsfähige, kommunale Verwaltungslandschaft. Wenn jetzt kommunale Steuereinnahmen wegbrechen, Aufgaben zunehmen und Schuldenberge drücken, verlieren die Kommunen den Anschluss. Bund und Land NRW müssen das gemeinsam angehen. Hinzukommt: Bereits jetzt beträgt der Investitionsstau in den Kommunen mehr als 138 Milliarden Euro.

In NRW gibt es zudem Belastungen, die die schwarz-gelbe Landesregierung trotz vollmundiger Versprechen im Wahlkampf bisher nicht eingelöst hat: Die Bundeszuschüsse für die Aufnahme und Unterbringung von geflüchteten Menschen kommen beiden Städten und Gemeinden nicht an; hier steht das Land nicht zu seinem Wort; das Geld versickert seit Jahren in der Landeskasse. Auch die Arbeitslosenzahl wird krisenbedingt voraussichtlich steigen. Dadurch kommen neue Kosten auf die Kommunen zu: Sie werden mit den sogenannten Transferkosten belastet – also Sozialkosten, unter anderem Wohngeld. Auch hier müssen wir in Bund und Land umdenken, Kosten neu verteilen. Die Steuerpolitik muss neu aufgesetzt werden: Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache.

Der „Solidarpakt Zukunft“ ist unsere Antwort auf die Herausforderungen, vor die uns nicht zuletzt die Corona-Krise stellt. Mit Industriepolitik, Kommunalfinanzen und Arbeitnehmerrechte sind wesentliche Aspekte des “Solidarpakt Zukunft” benannt, auf die sich hier vorerst beschränkt werden soll. Hinzukommen Investitionen in das Bildungssystem, in Beton und Köpfe, in die digitale Infrastruktur, in Verkehrswege und den öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Die Zeit ist reif: für einen Staat, der wieder Ausdruck eines solidarischen Gemeinwesens ist, der die gesellschaftlichen Transformationen sozial gerecht und innovativ gestaltet sowie unsere Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft krisenfester und zukunftssicher macht.