Fünf Gründe, warum Investitionen wichtiger sind als die schwarze Null

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Der SPD-Parteitag hat ein klares Zeichen für mehr Investitionen gesetzt. Das ist ein Bruch mit dem neoliberalen Dogma des schlanken Staates – und genau die richtige Antwort auf die Fragen der Zeit.

Ob beim Klimaschutz, in der Industriepolitik oder beim Verkehr: Der inhaltliche rote Faden des SPD-Bundesparteitags sind staatliche Investitionen. Investitionen sollen Vorrang vor Haushaltszahlen bekommen. Abkehr von der schwarzen Null, perspektivisch die Überwindung der Schuldenbremse. Das ist eine wichtige Richtungsentscheidung. Es ist nämlich ein Bruch mit der Idee, der Staat solle lediglich einen Rahmen vorgeben, sich aber ansonsten aus der Wirtschaft heraushalten. Dafür gibt es von konservativer Seite Kritik und auch in den eigenen Reihen ist die Entscheidung nicht unumstritten. Dabei gibt es mindestens fünf gute Gründe dafür, dass die SPD diesen Weg eingeschlagen hat.

Der Staat schafft Innovationen

Als erstes zu nennen sind da die grundlegenden Erkenntnisse aus den Wirtschaftswissenschaften. So hat etwa die italienisch-amerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin Mariana Mazzucato die Rolle des Staates für Innovationen untersucht. Ihr Ergebnis: Entgegen der Mythen von den nerdigen Visionären in ihren Garagen im Silicon Valley ist es vor allem der Staat, der Innovation schafft, die zu Wachstum führt. Private Unternehmen können mit ihrem kurzfristigen Profitinteresse gar nicht das Risiko eingehen, das für wirklich große Innovationen wie etwa das Internet notwendig ist.

Auch in Deutschland tut sich in den Wirtschaftswissenschaften einiges. Auch hier werden die Stimmen immer lauter, die mehr staatliche Investitionen fordern, wie etwa der einmalige Vorgang eines gemeinsamen Reports des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie (IMK) und des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) mit der Forderung nach mehr Investitionen zeigt.

Es braucht eine politische Antwort auf die Wirtschaft

Zweitens: Die Konjunktur ist rückläufig, die Infrastruktur bröckelt und mit Klimawandel und Digitalisierung stehen gewaltige Aufgaben bevor. Will man nicht zulassen, dass die Kombination dieser Entwicklungen dazu führt, dass viele Menschen ihre Arbeitsplätze und Perspektiven verlieren, braucht es genau jetzt einen investierenden Staat. Gerade weil die Industrie in Europa im Wettbewerb mit den gigantischen chinesischen Staatskonzernen steht, braucht es eine politische Antwort, die nicht auf die Reduzierung von Arbeitnehmerrechten und sozialen und ökologischen Standards setzt.

Wenn in Deutschland wettbewerbsfähig unter guten Arbeitsbedingungen und nachhaltig produziert werden soll, muss der Staat sich um Aufgaben wie den Ausbau digitaler Netze kümmern. Diese Ziele sollten dringend Vorrang vor einem ausgeglichenen Haushalt haben.

Investitionen verbessern das Leben der Menschen

Und das hat drittens nicht nur wirtschaftliche, sondern auch gesellschaftliche Folgen. Es gibt auch so etwas wie eine politische Ökonomie des Rechtsrucks, den wir gerade erleben. Aktive Wirtschaftspolitik kann keine menschenfeindlichen Gedanken aus den Köpfen verdrängen. Aber ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die wirtschaftlichen Dynamiken, die von einem aktiven Staat ausgelöst werden, aufkommende faschistoide Bewegungen im Keim ersticken können. Investitionen sind zu einem großen Teil eine Sache der Kommunen.

Und gerade vor Ort in den Kommunen merken viele Menschen, wie der Staat sich zunehmend zurückgezogen hat und an vielen Stellen nicht mehr in der Lage ist, ein gutes gemeinsames Leben zu organisieren. Die Politik der schwarzen Null befördert in dieser Lage gesellschaftliche Spaltungstendenzen, denen mehr Investitionen entgegenwirken könnten.

Der Staat muss Ausgleich schaffen

Diese Spaltungstendenzen führen auch zum vierten Grund: Die zunehmende Spreizung der Vermögen. Ein sich zurückziehender Staat kann keinen gesellschaftlichen Ausgleich schaffen. So verlockend auch der von verschiedenen Seiten vorgetragene Versuch sein mag, schuldenfinanzierte Investitionen gegen das Thema Vermögensverteilung auszuspielen, bleibt der kombinierte Weg richtig, den die SPD beim Bundesparteitag eingeschlagen hat:

Eine gerechtere Besteuerung von Vermögen, Erbschaften und sehr hohen Einkommen ersetzt nicht die notwendige Flexibilität des Staates, auf wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen zu reagieren und auch über Schulden die Infrastruktur zu erneuern und das Land für die anstehenden Veränderungen fit zu machen.

Investitionen bedeuten Lohnsteigerungen

Schließlich bleibt ein wichtiger fünfter Grund: Europa. Die deutschen Exportüberschüsse sind schon lange ein Problem für die wirtschaftliche Stabilität in Europa. Ein Investitionsprogramm in Deutschland kann zu Lohnsteigerungen und einer höheren Binnennachfrage führen. Für die Idee einer gemeinsamen europäischen Weiterentwicklung ein wichtiger Schritt.

Alles in allem dürfen Schulden und Geld ausgeben nicht zum Ziel sozialdemokratischer Politik werden. Aber staatliche Investitionen können der Hebel sein, über den sich eine gerechtere, zukunftsfähige und nachhaltige Gesellschaft schaffen lässt.

Der Artikel ist zuerst erschienen auf vorwärts.de

Zum Autor: Micha Heitkamp ist stellv. Vorsitzender der Mühlenkreis-SPD und Vorsitzender der JusosOWL